Die Sprache prägt das Hören

Am 26. September 2019 ist der Europäische Tag der Sprachen. Er möchte nicht nur auf Europas sprachliche und kulturelle Vielfalt aufmerksam machen und diese aufrechterhalten und fördern, sondern auch dazu anregen, neue Sprachen zu erlernen und ein interkulturelles Verständnis aufzubauen. Feiern wir heute also die Sprachen — und das Hören!

Unsere Sprache bestimmt unser Hörvermögen und unsere Hörleistung

Denn erst durch das Hören lernen wir sprechen. Zwar bildet sich das Gehör bereits komplett im Mutterleib organisch aus und ist bei einem gesunden Neugeborenen schon voll funktionsfähig, allerdings unterscheidet sich das Hörvermögen zunächst sehr von dem der Erwachsenen. Denn erst durch Hör-Reize aus der Umwelt bildet sich die Hörfähigkeit eines Kindes – vor allem in den ersten drei Lebensjahren – entscheidend aus. In dieser „sensiblen Phase“ für Sprachentwicklung lernt das Gehirn intensiv, die Hörinformationen zu verfeinern, zu differenzieren und sinnvoll zu deuten. Dabei werden unser Gehör und unser Hörvermögen auch maßgeblich durch die in unserem Umfeld gesprochene Sprache geprägt.

Absolutes Gehör durch Tonsprache

Unter einem absoluten Gehör versteht man die Fähigkeit, die Höhe eines beliebigen gehörten Tones zu bestimmen. Besonders Musiker profitieren davon. Wer in einem Kulturkreis aufwächst, in dem eine tonale Sprache (wie z.B. Mandarin) gesprochen wird, hat eine erheblich höhere Chance, als Erwachsener ein absolutes Gehör zu entwickeln. Zunächst starten Kleinkinder mit einem sehr leistungsfähigen Hörvermögen ins Leben. Das erleichtert ihnen unter anderem das schnelle Erlernen der Sprache. Im Laufe der Zeit verlieren sich in unseren Sprachregionen häufig diese Fähigkeiten. Bei Menschen aus Kulturkreisen in denen sogenannte „Tonsprachen“ gesprochen werden, passiert das jedoch viel seltener. Hier kommt es auf die exakte Tonhöhe der Wörter an. Die Änderung der Tonhöhe ändert auch die Bedeutung eines Wortes. Das absolute Gehör ist daher für Sprecher einer tonalen Sprache sehr nützlich – die Fähigkeit eines absoluten Gehörs bleibt ihm auch als Erwachsener erhalten.

Zweisprachig besser im Störlärm verstehen

Wer als Kind mehrsprachig aufwächst, schult seine Fähigkeit, Sprache differenziert wahrzunehmen. Bei einem entsprechenden Test hängten bilinguale Jugendliche ihre einsprachig erzogenen Altersgenossen beim Heraushören von Sprache aus Lärm ganz locker ab. Kinder, die zwei Sprachen lernen, können sich also nicht nur vielseitiger verständigen, sondern verbessern auch ihre Fähigkeit, Sprache von Störlärm zu unterscheiden – ein Vorteil in lauter Umgebung oder bei Stimmengewirr. Die größere Erfahrung mit verschiedenen Klängen der unterschiedlichen Sprachen macht das Gehör der Zweisprachigen effektiver, fokussierter und flexibler.

Somit wird unser Hörvermögen auch dadurch beeinflusst, in welchen Kultur- und Sprachkreisen wir aufwachsen. Die kognitiven Prozesse beim Sprechen und Hören stehen in einem engen Zusammenhang.

Autor: Redaktion Hörwelt

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