Eine Begegnung im Hörakustik-Alltag
Ein Mann betritt zurückhaltend den Laden. Aus seiner Jackentasche nimmt er die Hörgeräteschatulle und reicht sie mir ungeöffnet über die Ladentheke.
Ich öffne die Schatulle.
In beiden Hörgeräten ist die Batterie ausgelaufen. Schallschläuche müssen dringend gewechselt werden. Es stellt sich mir die Frage, ob das Hörsystem durch die Reinigung überhaupt wieder zum Funktionieren gebracht werden kann…
Ich frage nach dem Namen des Kunden, kann ihn aber im System nicht finden.
Vorsichtig und mit belegter Stimme weist der Mann mich darauf hin, dass die Hörgeräte nicht ihm, sondern seiner verstorbenen Frau gehören…
Ich verstehe.
Und biete dem Mann einen Sitzplatz im Wartebereich an und versuche mein Bestes in der Werkstatt. Nach dem Service bitte ich den Mann zum Beratungsplatz, unseren stillen, geschützten Bereich im Geschäft.
“Gut, dass Sie gekommen sind”, eröffne ich das Gespräch, „das war ein wichtiger Weg für Sie. Die Hörgeräte sind so gut wie möglich gesäubert. Ich habe keine neue Batterie eingelegt, das braucht es jetzt nicht mehr. Das linke Hörgerät funktioniert wieder, das rechte ist völlig defekt. Auch die Schallschläuche sind nicht gewechselt. Ich habe Ihnen aber die Ohrstücke Ihrer Frau gereinigt. Diese kann niemand anders tragen – Sie wissen, sie wurden individuell Ihrer Frau angepasst.”
Tränen steigen dem Mann in die Augen.
Ich schließe die Schatulle.
“Sie sehen aus wie neu – die Hörgeräte Ihrer Frau. Ein wichtiges Erinnerungsstück. War es doch ein täglicher Bestandteil, den Ihre Frau getragen hat…”
Der Mann umschließt die Hörgeräteschatulle mit beiden Händen und Tränen laufen über sein Gesicht.
“Es ist nicht leicht”, bringt er hervor “seit 3 Monaten ist sie nicht mehr.”
Ich nicke.
“Gut, dass Sie hier waren”, sage ich zu ihm.
Seine Augen verraten Dankbarkeit.
Er steht auf und geht…
Eine wichtige Begegnung als Teil seiner Trauerarbeit.
Akustik ist viel mehr als Hören….
Autorin: Silke Schulte, Auszubildende im 2. Lehrjahr in unserer Filiale in München Neuperlach